Transkript anzeigen Abspielen Pausieren

Das Bild zeigt ein Kind mit seinen Eltern. Alle drei halten sich an den Händen, das Kind ist in der Mitte.

Essstörungen

Welche Beschwerden haben Kinder und Jugendliche mit Ess-Störungen?

Ich bzw. mein Kind

  • kreise/kreist mit meinen/seinen Gedanken ständig um die Themen Essen, Figur und Gewicht.
  • wiege/wiegt mich/sich mehr als einmal pro Tag.
  • mache/macht meine/seine Stimmung und mein/sein Selbstwertgefühl stark von der Waage abhängig.
  • habe/hat Angst davor, zuzunehmen.
  • bin/ist unzufrieden mit meiner/seiner Figur und meinem/seinem Gewicht.
  • esse/isst lieber alleine als in Gesellschaft.
  • hungere/hungert und mache/macht Diäten und/oder habe/hat Essanfälle.

Welche Ess-Störungen gibt es und welche Anzeichen und Beschwerden können dabei auftreten?

Ess-Störungen können sich auf verschiedene Weisen zeigen. Die drei klassischen Formen der Ess-Störungen sind die Magersucht (Anorexia nervosa), die Ess-Brechsucht (Bulimia nervosa) und die Essanfälle (die Binge-Eating-Störung). Das Übergewicht (Adipositas) wird nicht den Ess-Störungen zugeordnet, dennoch handelt es sich um eine chronische Störung der Gesundheit und soll deshalb hier erwähnt werden. Es sind auch Mischformen dieser vier Störungen möglich. Es liegt in der Natur aller vier Erkrankungen, dass sie fast regelmäßig mit erheblichen körperlichen Begleitsymptomen einhergehen.

Bei Kindern und Jugendlichen mit einer Magersucht (Anorexia nervosa) drehen sich die Gedanken überwiegend um die Themen Gewicht und Ernährung und lassen wenig Raum für Anderes. Durch Hungern oder übertriebene sportliche Aktivität wird eine Gewichtsabnahme  herbeigeführt. Die Betroffenen sind auffallend dünn und fühlen sich trotzdem zu dick. Typisch sind auch ein ritualisiertes Essverhalten und das Verschwindenlassen von Essen. Manchmal werden auch Abführmittel, Appetitzügler oder entwässernde Medikamente eingenommen. Die Magersucht kann wegen medizinischer Komplikationen gefährlich sein: Körperliche Folgen der starken Gewichtsabnahme und Mangelernährung können unter anderem vielfältige Herzprobleme, Nierenversagen, vermehrte Entzündungen aber auch hormonelle Folgen wie ein Wachstumsstopp sowie ein Ausbleiben der Regeblutung bei jungen Frauen sein.

Die Ess-Brechsucht (Bulimia nervosa) äußert sich durch Essattacken, bei denen in kurzer Zeit sehr viel gegessen wird. Um nicht zuzunehmen, erbrechen die betroffenen Kinder und Jugendlichen die Nahrung wieder. Sie haben während einer Essattacke häufig das Gefühl, die Kontrolle über sich zu verlieren; anschließend ekeln sie sich oft vor sich selbst. Die Erkrankung ist sehr schambesetzt und wird oft verheimlicht. Von außen wirken die Betroffenen meist unauffällig und sind nicht so stark untergewichtig wie Personen mit einer Magersucht. Auslöser der Essattacken sind häufig Stress, Unzufriedenheit mit der eigenen Person oder Stimmungsschwankungen.

Bei den Essanfällen (Binge-Eating-Störung) handelt es sich um eine Störung, bei der die Betroffenen während wiederholter Essattacken enorme Mengen an Essen zu sich nehmen. Die Kinder und Jugendlichen haben während dieser Attacken das Gefühl, die Kontrolle über das Essen verloren zu haben. Ärger, Wut oder Trauer können Essanfälle auslösen. Viele Erkrankte leiden gleichzeitig unter depressiven Symptomen. Da diese Essattacken - im Gegensatz zur Bulimie - nicht durch Erbrechen ausgeglichen werden, sind Kinder und Jugendliche mit einer Binge-Eating-Störung meist übergewichtig. Die körperlichen Begleiterkrankungen ähneln denen der Ess-Brechsucht.

Das Übergewicht (Adipositas) ist durch übermäßige Fettansammlung im Körper gekennzeichnet. Dauerhaft erhöhte Kalorienzufuhr bei gleichzeitigem Bewegungsmangel führt zur starken Gewichtszunahme und oft zu zahlreichen Folgeerkrankungen. Übergewicht ist meist behandlungsbedürftig. Gleichzeitig hat nicht jeder Übergewichtige eine Essstörung.

Wie erkennt eine Ärztin oder ein Arzt, ob ich/mein Kind an einer Ess-Störung erkrankt bin/ist?

Die Diagnose einer Ess-Störung kann die Ärztin bzw. der Arzt durch ein ausführliches Gespräch klären. In diesem Gespräch wird es z.B. um das Essverhalten und den Gewichtsverlauf des Kindes gehen. Es wird besprochen, ob das Kind mit seinem Essverhalten und seiner Figur zufrieden ist und ob es sich viele Gedanken über seine Figur macht oder sich oft wiegt. Die Ärztin bzw. der Arzt wird weiterhin danach fragen, ob es besonders viel Sport treibt, bestimmte Medikamente zur Gewichtsreduktion einnimmt oder absichtlich erbricht.

Neben diesen Aspekten wird die Ärztin bzw. der Arzt das Kind auf mögliche körperliche Erkrankungen untersuchen, um diese als Ursache der Gewichtsprobleme ausschließen zu können. In diesem Zusammenhang kommen beispielsweise eine Fehlfunktionen der Schilddrüse oder Diabetes in Frage.

Wie sieht die Behandlung einer Ess-Störung aus?

Für die Behandlung von Ess-Störungen stehen viele gut untersuchte Bausteine zur Verfügung. Dazu gehören z.B. Information und Beratung, Verhaltenstherapie und Familientherapie. Die Behandlung soll optimal auf die Situation des Kindes zugeschnitten werden. Je nach Alter der Kinder und Jugendlichen und der Ausprägung der Symptome können dazu einzelne passende Bausteine gewählt werden.

Eine begleitende medikamentöse Therapie kann sinnvoll sein, wenn neben der Ess-Störung weitere Probleme bestehen, wie z.B. eine Depression, Zwänge oder eine Impulskontrollstörung.

Ess-Störungen wirken sich auf verschiedene Lebensbereiche aus. Bei der Behandlung von Ess-Störungen ist es daher wichtig, dass mehrere Berufsgruppen zusammenarbeiten. So ist es regelhaft notwendig, dass betroffene Kinder und Jugendliche während der Behandlung ärztlich begleitet werden. Die Erkrankung hat oft körperliche Folgen. Gleichzeitig ist eine Psychotherapie unerlässlich. Dabei ist meist der erste Schritt wieder ein gesundes, natürlichen Essverhaltens mit dem Gespür für Hunger, Sättigung und Genuss zu lernen und darüber ein gesundes Gewicht zu erreichen.  Ergänzend geht es z.B. darum, ein positives Selbstwertgefühl aufzubauen, die Körperwahrnehmung zu schulen, ein gesundes Körpergefühl zu entwickeln und Bewältigungsstrategien zu erlernen, um angemessen auf psychische Anforderungen reagieren zu können.

In der Ernährungstherapie wird den betroffenen Kindern und Jugendlichen auch Wissen über eine gesunde und ausgewogene Ernährung vermittelt.

Neben den Kindern und Jugendlichen selbst werden auch Eltern und andere Angehörige in die Therapie einbezogen.

Die Behandlung kann je nach Schwere der Erkrankung ambulant, tagesklinisch oder stationär erfolgen.

Wie können Sie als Eltern die Behandlung unterstützen?

Eine Ess-Störung stellt auch für die Angehörigen eine erhebliche Herausforderung dar. Ein erster und besonders wichtiger Schritt zur Unterstützung der Behandlung ist die Einsicht, dass ihr Kind erkrankt ist und professionelle Hilfe benötigt. Den betroffenen Kindern und Jugendlichen selbst fällt es oft schwer sich einzugestehen, dass sie ein Problem mit ihrem Essverhalten haben. Versuchen Sie dennoch nicht Ihr Kind selbst zu therapieren, sondern motivieren Sie es, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Sie können als Eltern Ihr Kind dabei unterstützen sein Essverhalten zu ändern. Achten Sie darauf, als Familie regelmäßig zu essen und sich für das Essen Zeit zu nehmen. Nehmen Sie das Essen nicht nebenbei beim Fernsehen oder Lesen zu sich.

Ziel sollte es immer sein, die Eigenmotivation der Kinder und Jugendlichen zu fördern. Gleichzeitig sollten Sie auf Ihre eigenen Grenzen achten.

Auch als Eltern eines Kindes mit Ess-Störungen ist man nicht allein. Suchen Sie sich rechtzeitig Unterstützung und Begleitung. Es gibt ein breites Spektrum an Hilfsangeboten und Angehörigengruppen, die durch Austausch von Erfahrungen oder Beratung bei Problemen im Alltag und bei offenen Fragen helfen können. Es ist auch gut, möglichst viel über die Erkrankung zu wissen. Nutzen Sie daher Informationsmöglichkeiten. Hilfreiche Informationen über Ess-Störungen bekommen Kinder, Jugendliche und ihre Eltern, aber auch Lehrer und Erzieher, z.B. hier:

Wo bekomme ich Hilfe für mich bzw. mein Kind?

Für eine erfolgreiche Behandlung von Ess-Störungen ist frühzeitige fachkundige Hilfe wichtig. Kinderärztinnen und -ärzte, Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiater oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten können Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner sein. Der erste Schritt ist meist eine ambulante Behandlung. In einigen Fällen, z.B. bei schwerem Verlauf oder bei begleitenden anderen psychischen Erkrankungen, ist bei Ess-Störungen auch eine stationäre oder tagesklinische Behandlung sinnvoll oder notwendig. Die LWL-Klinken für Kinder- und Jugendpsychiatrie bieten alle Bausteine für die Behandlungen für Kinder und Jugendliche mit Ess-Störungen an. An einigen Standorten gibt es Sprechstunden und spezialisierte Behandlungsangebote speziell für Ess-Störungen.

Genauere Informationen zu den Therapie- und Hilfsangeboten des LWL-PsychiatrieVerbund Westfalen findest du bzw. finden Sie hier